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Gutachter legen Analysen zum Zustand der Niepkuhlen vor

Veröffentlicht am: 29.03.2022

Die Niepkuhlen sind ein attraktives Ziel vieler Radfahrer. Foto: Stadt Krefeld, Stadtmarketing, Steigerwald
Die Folgen des Klimawandels sind an den Niepkuhlen deutlich zu sehen.
Foto: Stadt Krefeld, Stadtmarketing, Steigerwald

Seltene Fischart Bitterling sorgt für ein „naturkundliches Rätsel"

Die Krefelder Stadtverwaltung hat die Bestandsaufnahme der Niepkuhlen abgeschlossen. In mehreren Untersuchungen waren im Naturschutzgebiet in den vergangenen Monaten der Zustand der Flora und Fauna, die Wasserqualität und die Wasserstände untersucht worden. Der Klimawandel zeigt an den Niepkuhlen erhebliche Auswirkungen. In den vergangenen Jahren fielen immer wieder bestimmte Bereiche trocken. Im Projekt „Nachhaltige Niepkuhlen" wird die Stadtverwaltung gemeinsam mit Gutachtern und unter Beteiligung der Bürger Maßnahmen erarbeiten und diskutieren, die eine Zukunft für den Wasserzug sichern können. In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben Umweltdezernentin Sabine Lauxen, der Gewässerökologe Dr. Mario Sommerhäuser sowie der Geologe Dr. Reinhold Strotmann aus dem Projektteam „Nachhaltige Niepkuhlen" über die Ergebnisse der Analysen berichtet.

Erstmalig ganzheitliche Betrachtung des Gebiets

„Uns liegt mit den erfolgten Untersuchungen im Bereich von Holtmoers bis Fischerheim erstmals eine ganzheitliche Betrachtung der Niepkuhlen vor", betonte Umweltdezernentin Sabine Lauxen den Wert der erfolgten Analysen. Die Ergebnisse seien die notwendige Basis dafür, nun die ersten Maßnahmen gemeinsam zu entwickeln. Es sei deutlich geworden, dass bei der künftigen Entwicklung nicht alle Einzelgewässer gemeinsam betrachtet werden können, sondern dass es für unterschiedliche „Kullen" auch unterschiedliche Maßnahmen geben werde, erläuterte Sabine Lauxen. „Ich freue mich, dass wir nun belastbare Aussagen vorliegen haben."

Die Kullen haben unter dem Klimawandel gelitten

Mario Sommerhäuser berichtete von den Ergebnissen der biologischen Erkundungen. Durch verschiedene beteiligte Gutachter wurden die Vorkommen an Wasserpflanzen (Makrophyten), Fischen, wirbellosen Wassertieren (Makrozoobenthos) und Kieselalgen untersucht. Von Mai bis September 2021 waren diese Bestandsaufnahmen vorgenommen worden. Die wesentliche Erkenntnis lautet, dass die Kullen aufgrund der Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten viel von ihrem früheren Artenreichtum eingebüßt haben. Aus fachlicher Sicht ragen gegenwärtig nur noch zwei besondere naturkundliche Phänomene heraus - ein besonderer Fisch und eine selten gewordene Wasserpflanze wurden entdeckt: So lebt im nördlichen Bereich der Kuhlen der Bitterling, ein seltener Fisch, dessen Besonderheit das Zusammenwirken mit großen Muschelarten ist. Rund 15.000 Einzelfunde konnten nachgewiesen werden, das sind 49 Prozent aller gefundenen Fische. Der Bitterling wird neun bis zehn Zentimeter lang und ist bei der Fortpflanzung auf Großmuscheln angewiesen, in denen er seine Eier ablegt. Die Muscheln wiederum nutzen auch den Fisch. Sie legen ihre Larven am Bauch des Fisches ab, nutzen ihn also als Taxi für ihre Muschellarven. Der Experte spricht von einer Symbiose.

Männlicher Europäischer Bitterling zur Laichzeit bei der von ihm beanspruchten Muschel Bild: Michael Wurmännlicher Europäischer Bitterling zur Laichzeit bei der von ihm beanspruchten Muschel
Bild: Michael Wurm

Muscheln und der Bitterling

Es gibt allerdings noch ein naturkundliches Rätsel im Zusammenhang mit den Niepkuhlen: „Wir haben praktisch keine lebenden Muscheln mehr gefunden", sagt Mario Sommerhäuser. Es sei damit zu rechnen, dass es an den Niepkuhlen irgendwo eine Muschelpopulation gibt. Den Bitterling nennt er die „Flagschiffart" für die Niepkuhlen. Erwähnenswert ist außerdem das Vorkommen der Weißen Seerose, die heute in NRW als gefährdet gilt. Sie ist im nördlichen und mittleren Teil der Niepkuhlen zu finden. Wertvollere Vegetation gebe es tendenziell eher in den nördlichen Niepkuhlen, sagte Mario Sommerhäuser.

Wasserzustand mäßig bis schlecht

In der Gesamtbewertung im Hinblick auf die vier Untersuchungsfelder Makrophyten, Fische, Makrozoobenthos und Kieselalgen können die Gutachter den Niepkuhlen kein gutes Zeugnis ausstellen. Das ökologische Potenzial wird nach den Kriterien der EU-Wasserrahmenrichtlinie gegenwärtig als „mäßig" bis „schlecht" bewertet. In Bezug auf das Vorkommen des Bitterlings wird aus Naturschutz-Perspektive der Verberger Kull, dem Naturschutzgebiet Riethbenden Süd sowie Riethbenden und der Kull Busch Süd jedoch ein besonderer Wert zugesprochen. Generell attestiert aber Mario Sommerhäuser: „Wir haben bei den Gewässern ein Qualitätsproblem, dieses wird durch den Klimawandel eher noch zunehmen." Es müsse ein Rückgang gefährdeter und anspruchsvoller Arten attestiert werden, stattdessen würden sich weitgehend anspruchslose Arten deutlicher vermehren. Alle Gewässer seien „kritisch belastet bis stark verschmutzt".

So ist die Einschätzung des Experten

Reinhold Strotmann stellte die Entwicklung der Niepkuhlen hinsichtlich Hydrologie und Hydrogeologie dar. „Es handelt sich bei den Niepkuhlen um einen verlandeten Altrheinarm, aus dem durch Abgrabungen von Torf im 19. Jahrhundert eine Kette von Kullen entstand, die in den folgenden Jahrzehnten mit Niederschlagswasser und Grundwasser gespeist wurden, so dass sich die heutigen wassergefüllten Kullen entwickeln konnten. Diese Seen hatten Kontakt zu Grundwasser", sagte Reinhold Strotmann. Er betonte dabei, dass der Zustand des temporären Trockenfallens nicht erst aktuell geschehe, sondern seit über 100 Jahren immer wieder vorgekommen sei. Der Geologe stellte anhand von Temperaturkurven und Skalen dar, dass der menschengemachte Klimawandel in den vergangenen Jahrzehnten auch am Niederrhein für im Mittel steigende Temperaturen gesorgt habe.

Daraus ergeben sich mehrere Folgen auch an den Niepkuhlen - es gibt eine höhere Verdunstung von Wasserflächen, eine schnellere Austrocknung von Verlandungsflächen, eine Umverteilung der Niederschläge von den Sommer- in die Wintermonate. Insbesondere die Sommertrockenheit wird zunehmen. „Der Einfluss der Verdunstung von offenen Wasserflächen ist erheblich und wird mit dem zu erwartenden Temperaturanstieg zunehmen", urteilte Strotmann. Mittel- bis langfristig seien zudem sinkende Grundwasserstände zu erwarten, so dass eine Infiltration von Wasser aus den Kuhlen in das Grundwasser zunehme. Dies bedeute gleichzeitig weniger Wasser in den Kuhlen.

Einfluss der LEG-Pumpen

Reinhold Strotmann stellte auch den Einfluss der LEG-Pumpen auf die Niepkuhlen dar. Diese Pumpen haben mehr als 20 Jahre Grundwasser vom Wohngebiet Kliedbruch in Richtung der Niepkuhlen befördert. Das habe zwar einerseits einen künstlichen Effekt gehabt: Bei den Kuhlen Holtmoers und Verberg seien hohe Wasserstände von 1998 bis 2020 maßgeblich von der Einleitung durch die LEG-Pumpen geprägt gewesen. Auch sei das Naturschutzgebiet Riethbenden früher Grünland gewesen und habe sich erst durch die Einleitung der LEG entwickelt. Das Wasserdargebot war künstlich erheblich erhöht. Die Klimafolgen seien in der Phase des LEG-Pumpenbetriebs nur kaschiert worden, betonte Strotmann. Zeitweise sei die Verlandungsfläche im Naturschutzgebiet Riethbenden trotz Einleitung der LEG trockengefallen. Die Grafiken, die Strotmann zeigte, machten also deutlich, dass die LEG-Pumpen allenfalls für eine künstliche Aufrechterhaltung eines Wasserstandes gesorgt haben. Vor Betrieb der LEG-Pumpen gab es - naturbedingt - deutlich stärkere Schwankungen des Wasserstandes. Perspektivisch sollen die Niepkuhlen so entwickelt werden, dass sie ohne die künstliche Zuleitung von Wasser, und damit den Betrieb von elektrisch betriebenen Pumpen, bestehen können.

Umweltdezernentin Sabine Lauxen mit Bürgern beim Niepkuhlen-Spaziergang.
Umweltdezernentin Sabine Lauxen mit Bürgern beim Niepkuhlen-Spaziergang.
Bild: Stadt Krefeld

Niepkuhlen-Spaziergänge

Die Beteiligung der Anwohner dazu wird weitergehen. Im vergangenen Jahr hatte Umweltdezernentin Sabine Lauxen Interessierte gemeinsam mit Mario Sommerhäuser und Reinhold Strotmann bei drei „Niepkuhlen-Spaziergängen" informiert. Der Zuspruch zu diesem besonderen Format der Bürgerbeteiligung war groß. Begleitend hat eine Studentin der Hochschule Rhein-Waal, Marie-Christine Klanten, die Teilnehmer kontaktiert und nach ihren Vorstellungen befragt. Aus den Antworten lässt sich ein generell hohes Interesse an der Entwicklung dieses Gewässerzuges ableiten. Das Hauptinteresse sind dabei der Naturschutz, Erhalt der Biodiversität und die Naherholung. Viele Bürger haben auch ihr Interesse geäußert, bei der weiteren Entwicklung aktiv mitzuwirken.

Sabine Lauxen machte deutlich, dass die Bestandsaufnahme der Niepkuhlen wesentliche Erkenntnisse für die weitere Entwicklung im Projekt gebracht haben. Ziel sei es keineswegs, mit den nun zu planenden Maßnahmen die Niepkuhlen komplett austrocknen zu lassen. Es müsse eine einzelne Betrachtung aller Gewässerzüge geben - für jede der Kullen gebe es einen individuellen Handlungsrahmen. „Unser Ziel ist es, vernünftige Schwerpunkte zu setzen." Die Stadtverwaltung wird dazu auch die Möglichkeiten von Fördergeldern prüfen. Noch in diesem Jahr sollen weitere Schritte bekannt gemacht werden - einen engen Austausch wird es dabei auch mit den Anliegern geben.

 

Diese Gutachten wurden veröffentlicht:

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