Inhaltsbereich

Krefelder Kunstverein zeigt „Verweißungen“ von Herbert Zangs

Veröffentlicht am: 12.05.2022

Herbert Zangs im Jahr 1958. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Herbert Zangs im Jahr 1958.
Foto: Stadtarchiv Krefeld

 

Werke aus privaten Sammlungen werden erstmals öffentlich ausgestellt

„Wo ich bin, ist vorne", mit diesem Selbstverständnis trat der Krefelder Künstler Herbert Zangs (1924-2003) gerne in der Kunstszene auf. Er galt als grenzenlos unbekümmert und neugierig, von überschäumender Vitalität und experimentierte in alle Richtungen. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine seit 1952 entstehenden „Verweißungen". Diesem bedeutenden Werkkomplex widmet sich Kurator Peter T. Josteit in der aktuellen Ausstellung „Herbert Zangs. Arbeiten mit Weiß" im Krefelder Kunstverein am Westwall. Alle Exponate stammen aus hiesigen Privatsammlungen und werden nun erstmals öffentlich gezeigt.

Zangs und die Farbe Weiß

Zangs erste Arbeiten der gegenständlichen Malerei mit niederrheinischen Motiven werden noch stark von seiner Zeit an der Kunstakademie Düsseldorf Ende der 1940er-Jahre geprägt. Mit diesen Werken stellt sich rasch künstlerischer Erfolg ein: Das Kaiser-Wilhelm-Museum präsentiert mehrere Einzelausstellungen, 1952 erhält Zangs den Krefelder Kunstpreis. In dieser Zeit folgt aber auch ein radikaler Bruch seiner Kunst: Er arbeitet nicht mehr im Atelier, sondern in Werkstätten. Seine „Bilder" werden abstrakt, und er nutzt neue Techniken. „Hier hängt kein Bild, das einen Pinsel gesehen hat", sagt Josteit. Vor allem verwendet Zangs nur noch eine Farbe: Weiß. Die Begründungen für diesen Paradigmenwechsel bleiben vielfältig, ihr jeweiliger Wahrheitsgehalt nicht nachweisbar. Ein Anlass soll ein von ihm weiß bemaltes Fotos sein, das seine Eltern zeigt. Eine andere seiner Geschichten erinnert an den radikalen Materialwandel bei Joseph Beuys in den 1950er-Jahren. Beide lernten sich während der Studienzeit an der Kunstakademie kennen, beide kämpfen als Luftwaffe-Soldaten im Zweiten Weltkrieg und eine Lazarettzeit beziehungsweise Verwundung soll ihre spätere Arbeit prägen: Ein Krankenhausaufenthalt in Norwegen habe Zangs zu seinen „Verweißungen" geführt, als er eines Morgens aus dem Fenster die leicht verschneite Landschaft erblickte. An der Akademie freundete sich Zangs übrigens auch mit seinem Mitstudenten Günter Grass an, der ihn wegen seiner Kriegserlebnisse als literarische Figur „Herbert Lankes" in seinem Roman „Die Blechtrommel" verewigte.

Zangs "verweißte" Objekte

Im eigentliche Sinne schafft Zangs mit den „Verweißungen" keine Bilder mehr, sondern Reliefs, die ihre Wirkung durch ein Licht- und Schattenspiel erzielen. Zunächst gießt er Farbemasse auf Holz oder andere Untergründe. „Es ist immer das Gegenteil von perfekt, sondern mit Störungen", so der Kurator. Den nächsten Schritt unternimmt Zangs, indem er Farbe auf unterschiedliche Weise strukturiert. Anstatt der klassischen Leinwand nutzt er vorgefundene, beschädigte Pappen, Sperrhölzer und andere Materialien, die er in seine Bildaussagen integriert. Dann folgen „verweißte" Objekte, zu sehen sind im Kunstverein unter anderem textile Verknüpfungen, eine Handtasche und Sandalen. Seine erste Ausstellung mit solchen neuen Werken 1956 in der Zimmergalerie in Frankfurt am Main bleibt ohne Resonanz. Der nationale und internationale Erfolg stellt sich erst in den 1970er-Jahren ein. Eine uneingeschränkte Akzeptanz dieser Werke wird dadurch erschwert, dass Zangs Arbeiten in die 1950er-Jahre rückdatiert. „Er begründet dieses Vorgehen mit dem Argument, dass der Ursprung dieser Ideen in den frühen 1950er-Jahren lag und sukzessive weitergeführt und weiterentwickelt wird", erklärt Josteit.

Kurator Peter T. Josteit in der aktuellen Ausstellung „Herbert Zangs. Arbeiten mit Weiß“ im Krefelder Kunstverein am Westwall. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann
Kurator Peter T. Josteit in der aktuellen Ausstellung „Herbert Zangs. Arbeiten mit Weiß" im Krefelder Kunstverein am Westwall.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann

Als Kurator kennt Peter Josteit viele Geschichten

Der Kurator lernte Zangs selbst nicht mehr kennen. In seinen zahlreichen Gesprächen mit Krefelder Sammlern erfuhr er allerdings viele Geschichten, Eindrücke und Anekdoten über den Künstler, dessen Arbeitsmethoden, Intentionen, Verhalten und Charakter. Dabei gewann er ein heterogenes Bild. „Zangs war extrem laut und fordernd", so Josteit. Bei der Eröffnung einer Fritz-Huhnen-Ausstellung im Kunstverein soll Zangs in dieser Art auch aufgetreten sein: „Was ist das für ein Quatsch. Ich bin hier der große Künstler." Josteit interpretiert in dieser Großspurigkeit jedoch den Schutzpanzer eines sensiblen, feinfühligen Menschen.

Neben Heinrich Campendonk, Helmuth Macke, Heinrich Nauen, Joseph Beuys, Adolf Luther gehört Herbert Zangs zu den bedeutendsten Künstler Krefelds. Die neue Ausstellung im Kunstverein ist eine Gelegenheit, sich mit seinem Werk erneut auseinanderzusetzen oder es kennenzulernen. Der Kurator wünscht sich, dass sich die Besucher schlicht die Bilder anschauen, eben die Arbeiten auf sich wirken lassen. Der Wunsch wird sich kaum erfüllen lassen, denn alleine die Namensnennung „Zangs" löst bei Zeitzeugen reflexartig das Erzählen von persönlichen Erlebnissen aus. Das ahnt wohl auch der Kurator, wenn er anmerkt, dass man mit den Anekdoten, die er während seiner Recherche gehört habe, ein Buch füllen könnte. „Herbert Zangs. Arbeiten mit Weiß" im Krefelder Kunstverein, Westwall 124, endet am 12. Juni. Der Katalog kostet 28 Euro. Die Ausstellung wird von der Stadt Krefeld und der Sparkassen-Kulturstiftung Krefeld finanziell unterstützt. Weitere Informationen und Öffnungszeiten stehen unter www.krefelder-kunstverein.de.