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Interview: Das letzte Seifenkistenrennen für den Leiter des FZ Süd

Zuletzt geändert: 12.09.2022 09:52:37 CEDT

Martin Gabriel, Leiter des FZ Süd, vor der "Doppeldecker"-Seifenkiste als Rohling, die am Sonntag in der Jux-Wertung an den Start geht.   Foto: Stadt Krefeld, Presse und KommunikationMartin Gabriel, Leiter des FZ Süd, vor der "Doppeldecker"-Seifenkiste als Rohling, die am Sonntag in der Jux-Wertung an den Start geht.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Martin Gabriel ist „Mr. Seifenkiste": „Wehmut? Dafür ist erst einmal keine Zeit"

Am Sonntag findet das große, traditionelle Seifenkistenrennen am Hülser Berg statt. Für Martin Gabriel wird es nach mehr als 20 Jahren das letzte sein - der Leiter des Freizeitzentrums Süd geht in den Ruhestand. Im Interview erzählt er über Erfahrungen, Erinnerungen und Zukunftspläne.

Herr Gabriel, wie sind Sie zum Seifenkistenrennen gekommen? Es handelt sich um eine traditionsreiche Krefelder Veranstaltung. Wie waren Ihre ganz persönlichen Anfänge?

Martin Gabriel: Die ersten Krefelder Seifenkistenrennen gab es bereits in der Nachkriegszeit, in den 50er-Jahren - damals fuhren die Seifenkisten noch nebeneinander den Berg runter. 1998 hat mein Vorgänger im Freizeitzentrum Süd, Thomas Kron, diese Tradition wiederbelebt. Damals war ich noch im Jugendzentrum Herbertzstraße tätig und wurde gefragt, ob ich nicht vom Tag des Aufbaus bis zum Seifenkistenrennen vor Ort am Rennstieg bleiben könnte, um den Parcours zu überwachen. Wir haben damals sogar dort übernachtet. 1999 habe ich dann angefangen mit dem Seifenkistenbau, damals noch an den Herbertzstraße. 2002 kam ich als Nachfolger von Thomas Kron ins Freizeitzentrum Süd und habe die Organisation des Rennens von ihm übernommen. Dabei ist es bis heute geblieben.

Wie waren die ersten Rennen Ende der 90er-Jahre im Vergleich zu heute? Wie haben sich die Seifenkisten entwickelt?

Martin Gabriel: Der Start am Hülser Berg erfolgt ja auf einer Rampe. Bei den ersten Rennen war die Rampe noch aus Holz, was aus Sicherheitsaspekten heikel war. Ich erinnere mich noch genau an eine besondere Begebenheit. Um die Jahrtausendwende hatte eine Gruppe von vier sehr kräftigen Männern einen Bully mit Stahlrohrgestell nachgebaut und wollte damit beim Seifenkistenrennen starten. Das ganze Teil wog schätzungsweise 500 Kilogramm. Die vier kräftigen Männer standen oben auf der Rampe samt Gefährt. Die ganze Rampe ächzte und quietschte angesichts dieser Last. Gottseidank ist nichts passiert, und die Truppe kam heil herunter. Als Konsequenz haben wir dann jedoch die nächste Rampe aus Stahl gebaut. Inzwischen fahren die Seifenkisten ja nicht mehr im direkten Wettstreit zu zweit den Berg herunter, sondern einzeln mit Zeitabnahme. Es soll ohnehin beim Seifenkistenrennen nicht allein um die beste Zeit gehen, ein Hauptaugenmerk liegt auch auf den Jux-Kisten, die den Besuchern immer viel Freude bereiten. Was geblieben ist: Das Seifenkistenrennen ist jedes Mal ein buntes Treffen von Leuten, die seit vielen Jahren originelle Kisten bauen.

Wie sehr geht es eigentlich beim Wettstreit der Krefelder Jugendzentren beim Seifenkistenrennen auch um den Sieg in der Schnelligkeitswertung?

Martin Gabriel (lacht): Wir als FZ Süd stellen laufend erste Sieger; auch in diesem Jahr haben wir mit unserem Jimmy wieder einen sehr ambitionierten Fahrer am Start. Er hat ein richtiges Talent für das Rennen. Er übt übrigens an der Playstation. Auch da sind Talente gefragt, die einem beim echten Seifenkistenrennen dann zugutekommen. Man lernt, die richtige Spur auf der Straße zu wählen. Man entwickelt ein Gefühl für die Fahrt. Generell geht aber nichts über das echte Rennen. Ich habe die Hoffnung, dass Jimmy das Rennen irgendwann mal gewinnen kann.

Wie gewinnt man Kinder heute noch für den Bau einer Seifenkiste?

Martin Gabriel: Es gibt immer wieder Kinder und Jugendliche, die man dafür begeistern kann. Natürlich müssen alle Sicherheitsaspekte beachtet werden. Deshalb können Kinder eine Seifenkiste nicht alleine bauen, sondern immer mit Erwachsenen zusammen. Viel Freude entwickeln die Kinder besonders bei der Gestaltung der Kisten. Es zeigt sich aber leider, dass handwerkliches Geschick zunehmend abhandengekommen ist. Ich habe in der Jugend noch viel selbst geschraubt, an Fahrrädern und Mofas. Sowas machen Jugendliche heute nicht mehr. Das kann man ihnen aber nicht zum Vorwurf machen. Wenn wir über den Bau der Seifenkiste die Kinder an das Handwerk heranführen, dann haben wir viel erreicht.

Woher kommt bei Ihnen das handwerkliche Geschick? Das ist einem ja nicht in die Wiege gelegt.

Martin Gabriel: Ich bin nach der zehnten Klasse an die Fachoberschule gewechselt, habe viel zu jung mit 17 Jahren das Abitur gemacht. Das war aber, ehrlich gesagt, so schlecht, dass an einen Studienplatz nicht zu denken war. Einfach nichts tun, das ging aber auch nicht. Also habe ich eine Lehre begonnen, in einem kleinen Schlosserbetrieb, Lehrstellen waren damals sehr knapp. Von der Zeit in der Lehre und anschließend bei der Bundeswehr habe ich sehr profitiert, das war sehr wichtig für mich und hat mich entscheidend geprägt.

Ganz persönlich gefragt: Wie viel Wehmut gibt es nach dem Seifenkistenrennen, das Ihr letztes sein wird?

Martin Gabriel: Ich liebe meinen Beruf. Er bietet mir viele Freiheiten, man kann mit den Kindern gemeinsam viel bewegen. Natürlich blickt man jetzt schon manchmal zurück, schaut sich auch alte Bilder der ersten Rennen an. Wehmut? Dafür ist erst einmal keine Zeit, ich bin ja noch einige Monate hier. Ich werde ja auch künftig die Seifenkistenrennen besuchen, und es gibt Überlegungen, inwieweit ich auch nach der Rente im FZ Süd noch unterstützend tätig sein kann. Seit 40 Jahren bin in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig, seit 30 Jahren bei der Stadt Krefeld. Ich freue mich auch darauf, bald dann in Rente zu gehen, weil es sich doch um einen sehr herausfordernden Beruf handelt. Nach einem Acht-Stunden-Tag braucht man erst einmal eine Zeit, um runterzukommen.

Welchen Wert hat das Freizeitzentrum Süd für das Quartier hier?

Martin Gabriel: Es handelt sich ja um ein Viertel mit sozialen Herausforderungen. Gerade hier ist unsere Arbeit wichtig. Das Freizeitzentrum hat einen wichtigen Stellenwert im Quartier, es gibt eine intensive Vernetzung mit dem Förderverein, den Politikern im Bezirk, mit Schulen und Kitas, Vereinen und Verbänden. Wir sind hier mit dem großen Spielgelände und dem Platz im Hinterhof eine grüne Insel im Südbezirk. Dass es einen solchen Platz mit Spielmöglichkeiten unweit der Kölner Straße gibt, ahnen ja viele nicht. Bei schönem Wetter ist das hier ein kleines Naherholungsgebiet. Die Kinder hier aus dem Südbezirk haben oft auch nicht viel Platz. Da ist kein Raum für eine Werkbank oder handwerkliche Tätigkeiten. Eine große Einrichtung, wie wir es sind, kann den Kindern und Jugendlichen da etwas bieten. Wir haben einen Werkraum, eine Sporthalle mit Klettermöglichkeit, einen komplett eingerichteten Bandraum, eine große Küche und einen Garten, den wir gerade umgestalten. Wir merken, dass Kinder mit Fahrrad, Skateboard oder Roller zu uns kommen und fragen, ob wir das gemeinsam reparieren können. Da können Kinder wirklich etwas mitnehmen fürs Leben.

Wird der Wert von Jugendeinrichtungen für solche Quartiere hier wie dieses immer ausreichend von den Bürgern wertgeschätzt?

Martin Gabriel: Ich glaube ehrlich gesagt, dass die Jugendeinrichtungen manchmal zu wenig wahrgenommen werden. Wir versuchen dagegen zu wirken, etwa auch durch Beiträge in den Sozialen Medien, Instagram und Facebook und natürlich unseren Angeboten. Es ist aber sehr schwer, dafür eine Aufmerksamkeit zu erzeugen. Daran müssen wir weiterarbeiten. Es ist auch so, dass ein Jugendzentrum in einem solchen Bezirk wie unserem manchmal stigmatisiert ist. Es wird dann gesagt, dass nur eine bestimmte problematische Klientel unsere Einrichtung besucht, mit der der eine oder andere nichts zu tun haben will. Mit Aktionen wie dem Seifenkistenrennen oder dem Anbieten von Bandproberäumen gewinnt man aber ganz verschiedene jugendliche Zielgruppen - weckt Begeisterung bei vielen. Das muss weiter der Ansporn sein.