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Zehn Jahre Väterprojekt für Zugewanderte: Einsatzstellen gesucht

Zuletzt geändert: 06.09.2023 08:32:31 CEDT

Sengül Safarpour, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums, und Sozialarbeiter Ahmet Hamurcu  bringen seit zehn Jahren das Väterprojekt in Krefeld voran.  Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Sengül Safarpour, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums, und Sozialarbeiter Ahmet Hamurcu bringen seit zehn Jahren das Väterprojekt in Krefeld voran.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Sozialarbeiter Ahmet Hamurcu: „Ich musste selbst auch lernen, Vater zu sein."

Als Ahmet Hamurcu wusste, dass seine Frau zwei Kinder im Bauch trägt, führte sein Weg in die Bücherei. Zwischen den Regalen suchte er nach Literatur, die ihn bei seiner bislang größten Aufgabe helfen sollten: Ein guter Vater zu werden. Schnell stellte er jedoch fest, Literatur ausschließlich für Väter in seiner Situation gab es nicht. Und so landete er nach einer aufwendigen Suche bei einem sozialen Verein, der mit einem „Väterunterstützungs-Projekt" warb. Der Kurs änderte Hamurcu grundlegend und prägte nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Zwillinge, seiner Frau und seiner gesamten Familie. Heute sind die Kinder erwachsen und Hamurcu hilft inzwischen seit mehr als zehn Jahren selbst Vätern mit internationaler Familiengeschichte, in der Vaterrolle anzukommen. Das Väterunterstützungs-Projekt des „Kommunalen Integrationszentrum" (KI) der Stadt Krefeld feiert zehnjähriges Bestehen. Es werden noch weitere Einsatzstellen gesucht.

Rollenverteilungen aufbrechen

„In vielen Kulturen gibt es auch heute noch eine strenge Rollenverteilung. Aufgabe des Vaters ist es, Geld zu verdienen und die Wünsche der Familie zu erfüllen", erklärt KI-Leiterin Sengül Safarpour. „Kinder aber brauchen nicht nur einen Versorger. Sie benötigen ein menschliches Vorbild und ein Miteinander. Das kann die Schule alleine nicht geben, dafür braucht es das Elternhaus - und eben auch den Vater." Mit dem Teilhabe- und Integrationsgesetz aus dem Jahr 2012 und seiner Novellierung 2021 hat sich die nordrhein-westfälische Landesregierung verpflichtet, die Integration in den Kommunen des Landes voran zu treiben. Auch in Krefeld ist daraufhin das KI entstanden und Ahmet Hamurcu als Schulsozialarbeiter an der Regenbogenschule eingestellt worden. Kurze Zeit später initiierte er hier das erste Väterprojekt, gefördert durch das Land und auf Basis eines Konzeptes, das auch in anderen Kommunen umgesetzt wird. „Mit Ahmet Hamurcu haben wir die perfekte Besetzung, denn er stammt selbst aus der türkischen Community, ist vernetzt und hat sich intensiv mit seiner eigenen Rolle als Vater befasst", sagt Safarpour. „Er erreicht die Väter."

Im Video: Ahmet Hamurcu hat "seine" Väter interviewt
Eingebettetes Youtube-Video
Hier wurde das Väterprojekt schon durchgeführt

An der Regenbogenschule begonnen hat Hamurcu inzwischen an vielen Orten das Väterprojekt durchgeführt. Kitas und Familienzentren gehören zu den Veranstaltungsorten, türkische Gemeindezentren und sogar eine Flüchtlingsunterkunft. In einem Zeitraum von insgesamt zehn bis zwölf Wochen trifft sich die Gruppe, bestehend aus dem Sozialarbeiter und maximal 15 Vätern, einmal wöchentlich für rund zweieinhalb Stunden. Hamurcu stellt Themen vor, bringt Referenten mit und lädt vor allem zum gemeinsamen Austausch ein. „Zu Beginn sind viele der Väter schüchtern, aber das ändert sich schnell, denn die Männer merken zügig Veränderungen an sich und am Verhältnis zu ihren Kindern", beschreibt der Krefelder. „Es geht immer darum, die Väter für eine offene, positive Kommunikation in der Familie zu sensibilisieren und ein Interesse für das Leben ihrer Kinder in den Kitas und im Rahmen ihrer schulischen Entwicklung zu wecken."

Die gesamte Familie wird miteinbezogen

In der fünften und der achten Sitzung finden Treffen mit den Partnerinnen der Teilnehmer statt. Den Müttern wird vorgestellt, an welchen Themen ihre Ehemänner arbeiten. So können sie im Familienalltag die Männer in ihrer veränderten Rolle einbinden und unterstützen. Das offizielle Programm endet damit, dass Hamurcu den Vätern eine Urkunde überreicht. Häufig bleibt der Kontakt danach zwischen den Teilnehmern bestehen und groß ist das Interesse an den Nachtreffen, die der Sozialarbeiter initiiert.

„Immer wieder verlasse ich das Programm mit dem Gefühl, dass hier nicht nur ein anderer Vater, sondern ein anderer Mensch sitzt", resümiert Hamurcu. „Die Väter überwinden mit dem Projekt nicht nur ihre Schwächen, sondern entdecken auch ihre eigenen Kompetenzen." Und diese Veränderungen beobachten auch Lehrer, Erzieher und Gemeindemitglieder. Denn ungewöhnlich viele Väter tauchen auf einmal beim Elternsprechtag auf, sind Teil von Festen in den Familienzentren und helfen bei den Hausaufgaben. „Das verändert auch die Biografie der Kinder", beschreibt der Sozialpädagoge. Noten würden sich verbessern, viele der Kinder besuchen sogar inzwischen das Gymnasium.

Wege werden für Generationen geebnet

Sengül Safarpour wundert der Erfolg des Projektes nicht. „Egal, welcher Kultur wir angehören, wenn uns niemand gezeigt hat, wie eine Rolle auch anders gelebt werden kann, dann bleiben wir bei dem, was wir in unserer Kindheit selbst erlebt haben. Es von jemandem zu lernen, der einen Veränderungsweg schon hinter sich hat, ist eine große Chance", sagt sie. Gleichzeitig macht sie darauf aufmerksam, dass das Projekt am Ende nicht nur den Vater und das Kind selbst ändern, sondern die Zukunft der gesamten Familie: „Denn wenn einmal Rollenbilder aufgebrochen wurden, verändert sich in der Regel die Struktur der Familie auch in den nächsten Generationen."

Weitere Einsatzstellen werden gesucht

Während Hamurcu selbst mit türkischen Männern arbeitet, gibt es seit kurzem einen jungen Mann im Team, der Arabisch spricht. So möchte das KI das Väterprojekt noch weiter öffnen. Die Stadt ist zurzeit noch auf der Suche nach Einsatzstellen, die Interesse haben, das Projekt über das KI anzubinden. Weitere Informationen dazu gibt es auf Nachfrage per E-Mail an vielfalt@krefeld.de oder per Telefon über 0 21 51 / 86 26 66.

 

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