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Samt und Seide und kein gutes Ende - zum Lebensweg der Krefelder Familie Herzog

Walter HerzogWalter Herzog, 1887 in Krefeld geboren war Krawattenstofffabrikant und als solcher Teil der weltweit erfolgreichen Samt- und Seidenindustrie, der die Stadt bis heute ihren Ruf und Namen verdankt.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte Walter Herzog als Soldat für Kaiser und Vaterland und wurde noch 1935 (!) mit dem „Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer" ausgezeichnet.

1921 heiratete er Cäcilie Grünbaum (geb. 1895), die aus einer alteingesessenen Kasseler jüdischen Familie stammte. Die Familie wohnte in einem Einfamilienhaus auf der Steckendorfer Straße in der Krefelder Innenstadt. 1924 kam Tochter Renate, zwei Jahre später Sohn Manfred zur Welt.
Die Firma Wilmsen & Herzog auf der Weggenhofstraße geriet sofort nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Bedrängnis. Der Druck auf jüdische Unternehmer wuchs von Jahr zu Jahr. Am Ende waren sie gezwungen, ihre Firma an die Konkurrenz zu verkaufen oder ganz aufzulösen. So erging es auch Walter Herzog. Im Zuge des Novemberpogroms wurde er am 10.11.1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau verschleppt, wo man ihn bis Ende des Monats festhielt. Unter Mitwirkung des in Krefeld ansässigen Verbandes der Krawattenstofffabrikanten wurde seine Fima unmittelbar danach zerschlagen.
Familie Herzog hatte angesichts des drohenden Verlustes ihrer Existenzgrundlage bereits seit 1937 ihre Auswanderung betrieben, sodass schließlich 1939 ihre Möbel verpackt und nach Bremen zur Verschiffung gebracht wurden. Tatsächlich gelang es nur der 15jährigen Renate Herzog und ihrem 13 Jahre alten Bruder Manfred, 1939 Deutschland tatsächlich zu verlassen. Sie hatten das Glück, in einem der sogenannten „Kindertransporte" nach Großbritannien unterzukommen. Ebenfalls 1939 holten die Herzogs Cäcilies Mutter Thekla Grünbaum aus Kassel zu sich auf die Steckendorfer Straße.

Aus bis heute unbekannten Gründen scheiterte die Auswanderung der Eltern Herzog jedoch und ihre Möbel wurden Mitte 1940 nach Krefeld zurückgebracht.
Zu diesem Zeitpunkt zwang man die Familie, ihr Haus aufzugeben. (Schwieger-) Mutter Thekla Grünbaum wurde in ein sogenanntes „Judenhaus" auf der Nordstraße 15 eingewiesen. Walter und Renate Herzog zogen zunächst für ein Jahr in die Villa des emigrierten Fabrikanten Alex Oppenheimer auf der Uerdinger Straße 62 ein. Als diese von der Gestapo zur eigenen Nutzung beschlagnahmt wurde, musste Familie Herzog im August 1941 eine kleine Wohnung im Haus Stadtgarten 13 - ebenfalls ein „Judenhaus" - beziehen. Noch im November 1941 bemühte sich Walter Herzog (der wie alle deutschen Juden den Zwangsvornamen „Israel" führen musste) von dort aus um eine Genehmigung zur Auswanderung nach Kuba über Lissabon und hatte auch schon sämtliche Ausreiseformalitäten erledigt. Die Genehmigung bekam er nicht mehr. Am 29.11.1941 musste Walter Herzog mit seiner Unterschrift bestätigen, dass er den Verfall seines gesamten Vermögens „aufgrund der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat" zur Kenntnis genommen hatte.

aus der Gestapo-Akte Walter Herzogs 1941 aus der Gestapo-Akte Walter Herzogs
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Ausschnitt Gestapoakte Walter Herzog 1941

Am 10. Dezember 1941 wurden Walter und Cäcilie Herzog nach Riga in das dortige Ghetto deportiert. In Riga wurde Walter Herzog bis 1943 festgehalten und dann über die Konzentrationslager Stutthof und Buchenwald in das Konzentrationslager Trög-litz/Rehmsdorf in Sachsen-Anhalt verschleppt, in welchem auch der spätere Literatur-Nobelpreisträger Imre Kertesz inhaftiert war. Hier wurden mehrere Tausend Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Sein letzter Brief von dort stammt vom 7. Oktober 1944; der Tod des 57-jährigen Krefelders ist für den 16. Dezember 1944 dokumentiert.
Walter Herzogs zwei Jahre ältere Schwester Katharina, die mit dem Rechtsanwalt Joseph Wilczek verheiratet war und in Frankfurt gelebt hatte, war schon im Juni 1943 im Ghetto Litzmannstadt (Lodz) umgekommen.

Cäcilie Herzogs siebzigjährige Mutter war im Juli Portraitfoto Thekla Grünbaum1942 mit dem so.genannten „Altentransport" von Krefeld über Düsseldorf in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Im September verschleppte man Thekla Grünbaum (Foto links) dann in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie vermutlich unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurde.


Cäcilie Herzog überlebte als einzige aus ihrer Familie die Deportation, kehrte 1945 nach Krefeld zurück und wohnte für kurze Zeit in dem ehemaligen Haus von Richard Merländer auf der Friedrich-Ebert-Straße 42. 1946 verließ sie Deutschland und wanderte in die USA, später nach Kanada aus, wo sie bis zu ihrem Tod 1990 zusammen mit ihrer Tochter Renate lebte. Nicht nur ihren Mann und ihre Mutter, auch ihren Sohn Manfred hat sie nie wiedergesehen.

US-Einbürgerungsdokument Cäcilie Herzog
US-Einbürgerungsdokument Cäcilie Herzog 1952

Manfred Herzog hatte wie seine ältere Schwester Aufnahme in englischen Familien oder Internaten gefunden, zuletzt lebten sie in Birmingham. Nach dem Kriegsausbruch am 1. September 1939 wurde er wie viele der älteren Jugendlichen in Großbritannien als (potentiell feindlicher) Ausländer in ein Internierungslager gesteckt. Eine Möglichkeit, sich aus der Internierung zu befreien, war der Eintritt in die Armee. Auch Manfred Herzog ging diesen Weg und diente im 4. Bataillon des „Welch Regiment", Manfred Herzogeinem Infanterieregiment, das an fast allen schweren Gefechten nach der Invasion der Alliierten in der Normandie beteiligt war. Ganz kurz vor Kriegsende, am 8. April 1945, starb er mit 18 Jahren in Gelderland in den Niederlanden im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht, die sich mit erbittertem Widerstand gegen die unvermeidliche Niederlage stemmte. Manfred Herzog wurde begraben auf dem Soldatenfriedhof Groesbeek, 70 km von seiner Geburtsstadt Krefeld entfernt.

Im Jahr 1990 schrieb Renate Herzog, die jetzt Renate Cahn hieß, aus ihrer neuen Heimat im kananadischen Ontario an Krefelder Schüler, die sich auf die Suche nach ehemaligen jüdischen Krefeldern gemacht hatten. Sie berichtete über ihre Erlebnisse während des Novemberpogroms 1938, den sie als Schülerin des damalige Lyzeums an der Moerser Straße, der heutigen Ricarda-Huch-Schule,Portraitfoto Renate Cahn erlebt hatte: „das erste, das wir bemerkten, das irgendetwas nicht in Ordnung war, war in der ersten Schulpause als wir rauskamen und lauter kleine Stückchen Papier durch die Luft flogen und langsam runter kamen. Als wir die Stückchen Papiere aufhebten [sic], sahen wir, dass sie hebräische Buchstaben hatten und daß sie versengt waren, aber wir wussten nicht, was das bedeuten sollte. In der nächsten Stunde kam meine Mutter zur Schule und holte mich raus. Dann erzählte sie mir, dass die Nazis die Synagoge in Brand gesetzt hatten [...]."

Renate Cahn starb Grabstätte Moritz Herzog1995 im Alter von 71 Jahren in Toronto, Kanada. Ob sie ihre alte Heimatstadt noch einmal besucht hat, wissen wir nicht. Da es (noch) keine Stolpersteine für Familie Herzog gibt, ist der Grabstein von Moritz Herzog (siehe Foto) das Einzige, was in Krefeld noch an sie erinnert




Bildnachweise:
Personenfotos Walter und Manfred Herzog: https://yvng.yadvashem.org/
Foto Grabstätte Moritz Herzog: http://www.steinheim-institut.de/
Ausschnitt Gestapoakte Walter Herzog: Landesarchiv NRW (LAV NRW R_RW 58 Nr. 24474)
Einbürgerungsdokument Cäcilie Herzog: https://www.fold3.com/document/22184219/
Personenfotos Thekla Grünbaum und Renate Cahn: www.geni.com
Zitat Renate Cahn: Stadt Krefeld (Hrsg.), Juden in Krefeld. Quellen und Materialien zur Geschichte der Stadt Krefeld, Krefeld 1990, S. 218

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